Salafismus (Barino)

Um den Islam, so wie wir ihn uns wünschen, nicht mit dem Glauben der Muslime in Verbindung zu bringen, die sich streng an die Weisungen den Propheten Mohammeds und den Koranauslegungen der ersten Generationen ausrichten, wurde der Begriff Salafismus vom Westen erfunden. Mit dieser künstlichen Begriffsfindung identifiziert sich allerdings keiner, den ihr als Salafisten bezeichnen würdet. Wenn es um eine Gruppenzugehörigkeit unter den verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen geht, bezeichnen sie sich selbst als Ahlu Sunna wa Al-Jamaa3ah – als Sunniten. Ihre primären Quellen, die für die Rechtssprechung gleich bedeutend sind, sind der Koran in einem wörtlichen Sinne und die Literatur über die Taten und Aussprüche Mohammeds die Hadithe und die Propheten Biograpfie die Sira.

Wenn wir einen Mann sehen, der das Barthaar lang und den Schnäuzer kurz hat, denken wir direkt an einen Salafisten. Warum aber sieht gerade so aus? Es liegt einfach daran, dass er den folgenden Hadith, der bei Sahih Al-Bukhary überliefert wurde, als wörtlich zu nehmende Weisung versteht: „Handelt den Polytheisten zu wider, lasst das Barthaaar lang wachsen und schneidet den Schnäuzer kurz!“

„عَنِ ابْنِ عُمَرَ عَنِ النَّبِىِّ قَالَ ”خَالِفُوا الْمُشْرِكِينَ، وَفِّرُوا اللِّحَى، وَأَحْفُوا الشَّوَارِبَ“

Der ersten Teil des Hadith „handelt den Polytheisten zu wider“ drückt sich in ihrem Erscheinungsbild übrigens dadurch aus, dass sie die Uhr am rechten Arm tragen, im Gegensatz zur allgemeinen Art sie am linken Arm zu tragen.

Daran halten sich natürlich nicht nur die Frommen Sunniten, unter denen es mittlerweile auch in Deutschland prominente gibt, sondern auch die bekannten Terroristen wie einst Osama Bin Laden und heute der Führer der Gläubigen im Islamischen Staat Abu Bakr Al-Baghdady und seine Gefolgsleute. Nun sollte man natürlich nicht aufgrund von Äußerlichkeiten Bartträger mit Terroristen gleichsetzen, aber man darf auch nicht übersehen – und das ist hier der kritische Punkt -, dass beide die gleiche religiöse Grundlage haben, die ihr Erscheinungsbild prägen. Warum lässt sich der Salafist das Barthaar lang wachsen und rasiert sich den Schnäuzer kurz? Weil der Prophet dies in einem authentischen Hadith fordert. Warum tut das gleiche der Terrorist? Weil er genau so ein Sunnit ist, der die gleiche Weisung vom gleichen Propheten in dem Gleichen Büchen liest und befolgt.

Nun werden alle Sunniten vor das religiöse und moralische Dilemma gebracht, dass sie einige Dinge wie beispielsweise häufig das Barttragen wörtlich nehmen und befolgen, aber für andere genau so deutlich geäußerte Weisungen des Korans und des Propheten Entschuldigungen finden, um sie nicht befolgen zu müssen. Vor dieses Dilemma werden sie von den sogenannten „Hasspredigern“ und „Kriegstreibern“ von den radikalen Muslimen gestellt. Also von denen, die die religiösen Weisungen predigen, in schon in den Büchern stehen, an deren absolute Gültigkeit jeder sunnitische Muslim bereits glaubt, aber eben noch nicht praktiziert. Sie sagen ihnen dann z.B. „Du trägst einen Bart, das ist gut. Aber warum? Na weil Mohammed das sagte. Gut, und warum befolgst du dann nicht die Aufforderung in den Jihad zu ziehen als beste Tat, die ein Muslim tun kann? In dem gleichen Buch, in Sahih Al-Bukhary, in dem die Weisung zur Gesichtsbehaarung steht, lesen wir doch auch folgenden Hadith: „Ein Mann kam zum Gesandten Allahs und sagte: »Nenne mir eine Tat, die dem Dschihad gleich ist!« Der Prophet sagte: »Eine solche finde ich nicht!« Der Prophet fuhr dann fort: »Kannst du es verkraften, wenn der Kämpfer (Mudschahid) für den Kampf aufbricht, dass du in die Moschee gehst und dort betest und nicht aufhörst und auch fastest, ohne dein Fasten zu brechen?« Der Mann sagte: »Und wer kann so etwas tun?“ Also warum gehst du in die Moschee und betest und warum fastest du? Na, um Allahs Wohlgefallen zu erreichen. Aber diese Taten sind nicht gleich dem Jihad und hier ist offensichtlich wirklich ein physischer Kampf gemeint. Mohammed stellt ja den Jihad der sprituellen Tätigkeiten gegenüber und bewertet den Jihad hoher.

Oder ein anderes Beispiel der fromme Sunnit wird gefragt: „Warum fastest du?“ Er antwortet: „N weil im Koran in Sure 2.183 steht ‚O die ihr glaubt, vorgeschrieben ist euch das Fasten‘“ Das ist gut! Und warum haltst du dich dann nicht das Wort Allahs nur ein paar Verse weiter in Vers 216: „Vorgeschrieben ist euch zu kämpfen“ Nach einigen Ausreden die er vorbringen wird kann er dann in die Enge getrieben werden, wenn man den Vers weiter liest. Natürlich ist dir der Kampf zu wider, aber das wusste Allah schon und das deswegen den Vers so vollendet: „Vorgeschrieben ist euch zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist. Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Allah weiß, ihr aber wißt nicht.“

Wenn man diese Logik verstanden hat, dann wird man verstehen, warum alle Terroristen Anhänger des sogenannten Salafismus waren. Sie waren es nicht nur, sondern sie sind es immer noch, nur integrieren sie jetzt eben auch die Gewaltaufrufe der religiösen Texte in ihr Glaubensleben und beschränken sich nicht mehr nur auf modische Anweisungen Mohammeds in Bezug auf die Gesichtsbehaarung und auf das Beten und Fasten.

Der kritische Punkt, der hier verstanden werden soll ist, dass die Sunniten insgesamt, ob man sie nun als Salafisten, Wahabisten, Terroristen oder sonst wie bezeichnen möchte, die gleiche religiöse Grundlage haben. Nun wird man reflexhaft sagen wollen, dass es ja unendlich viele Interpretationen der religiösen Texte geben kann. Die Sunniten haben sich im Rahmen von Rechtsschulen auf Interpretationen geeinigt und da ist keine der vier großen Rechtsschulen besser als die andere. Die gleichen religiösen Bücher der Gelehrten, die den Koran und die Sunna für das tägliche praktische Leben auslegen, finden sie in jeder arabischsprachigen sunnitischen Moschee in Deutschland, genauso wie in den Bibliotheken der islamischen Universitäten in den arabischen Ländern, und aus ihnen schöpfen auch die Terroristen ihre Legitimationen. Und praktische Anwendung finden diese Schriften heute im Islamischen Staat in Syrien und Irak.