Der Nahe und Mittlere Osten ist seit einigen Tausend Jahren, ein zentraler Schauplatz von Völkerkonflikten. Der Palästina-Konflikt nimmt dabei heute eine zentrale Rolle ein. Die Juden beanspruchen das palästinensische Land für sich. Palästinenser, Araber und sämtliche Muslime auf der Welt sehen in Palästina ein islamisches heiliges Land und rufen zu dessen Befreiung und der Vernichtung des Staates Israels auf. Der jüdische Staat sei durch den Welt-Zionismus ins Leben gerufen worden.
Der aufmerksame Leser des Korans stößt in Bezug auf die Länderfrage auf interessante islamisch-historische Zeugnisse. Diese zeigen, dass der Verfasser des Korans, lange vor dem sogenannten Zionismus und lange vor der jüdischen Einwanderung im letzten Jahrhundert, das palästinensische Land als Erbbesitz der Juden anerkannte. Nicht nur das, er spricht den Juden sogar noch weit mehr Land zu als sie beanspruchen.
Im Koran gibt es viele gegensätzliche Verse, auch in Bezug auf die Juden. Aus einigen Versen kann man herauslesen, dass Allah mit dem jüdischen Volk zufrieden ist und es lobt, als das gesegnete Volk und Nachkomme der Propheten. Ein anderes Mal beleidigt und diffamiert Allah die Juden als Affen. Diese Ambivalenz von israelfreundlichen und -feindlichen Suren lässt sich sicher mit der Chronologie der Offenbarungen erklären. Die Israelfreundlichen Verse entstammen der mekkanischen Zeitphase, in der der christliche Priester Waraqa Iben Nawfel ein Cousin von Khadija – Mohammeds erster Frau – noch lebte und einen großen Einfluss auf Mohammed hatte. Über das Verhältnis zwischen Waraqa und Mohammed lesen wir in einem Hadith „Waraqa starb, und die Offenbarungen erlebten für eine Weile einen Stillstand.“
Wie dem auch sei. Während die Thora das jüdische Land entlang enger Grenzen aufzeichnet, zeigt sich Allah im Koran sehr großzügig und gibt den Juden Land in Hülle und Fülle.
Koran 5.20. Und als Musa zu seinem Volk sagte: „O mein Volk, gedenkt der Gunst Allahs an euch, als Er unter euch Propheten einsetzte und euch zu Königen machte und euch gab, was Er niemandem (anderen) der Weltenbewohner gegeben hat.“
5.21 „O mein Volk, tretet in das geheiligte Land ein, das Allah für euch bestimmt hat, und kehrt nicht den Rücken, denn dann werdet ihr als Verlierer zurückkehren.“
Also, nicht der Zionismus, sondern der Verfasser des Korans schenkt den Juden geheiligtes Land und fordert sie auf, daran festzuhalten. Aber wo ist das geheiligte Land nach Auffassung der Koranausleger? Man höre und staune:
Al Qurtobi führt in seiner Koranexegese, die von der sunnitischen Welt anerkannt und hoch verehrt wird, einige Aussagen von Gelehrten an. Der eine behauptet, das geheiligte Land sei die Umgebung von El-Tor in der Sinai-Halbinsel. Andere sehen das geheiligte Land in Damaskus, Palästina und Teilen des Jordanlandes.
Allah im Koran belässt es also nicht bei Palästina allein für das jüdische Volk. Drei Länder gibt er ihnen hinzu. Man fragt sich Angesichts dessen, wieso Muslime sich noch beklagen, wenn der Koran selbst den Juden diese Länder zuspricht? Besonders, weil gerade die Muslime, die den Juden den Krieg erklärt haben genau diesen Quellen der Koranauslegung folgen.
Übrigens, das Wort Palästina kommt in der Bibel über 250 Mal vor, aber kein einziges Mal im Koran, wobei Israel unzählige Male erwähnt wird. Der Koran zeigt sich in diesem Punkt also zionistischer als der Zionismus selbst.
Das ist längst nicht alles. Sehen wir, was ein anderer hoch anerkannter Koranausleger, At- Tabari, dazu sagt: Nach ihm, erstreckt sich das geheiligte Land vom Euphrat, also große Teil Syriens, bis nach Arisch in Ägypten. Dies ist wohlgemerkt eine Auslegung die auf einem Konsens der Gelehrten der Koranauslegung, der islamischen Geschichtswissenschaft und der Prophetenbiographie beruht.
Wie Sie sehen, die Wurzeln der weitverbreiteten Verschwörungstheorie von Großisrael, dessen Grenze vom Euphrat bis zum Nil reichen soll, befinden sich seltsamer Weise nicht in der Thora, wie viele Muslime glauben, sondern im Koran und seiner klassisch sunnitischen Auslegung.
Will der Koran den Juden auch noch Ägypten schenken? Ja, tatsächlich! Der Koran lässt keinen Zweifel daran:
In Sure 7.128-129 Sure 17.101-104 Sure 26. 52-59 Sure 28.4 und Sure 137.7 gibt der Koran das Land der Pharaonen den Juden als Erbe. Damit keiner uns vorwirft, wir würden den Koran nach eigenen Vorstellungen interpretieren, überlassen wir den anerkannten Koranexegeten das Wort:
All diese Koran-Auslegungen der islamisch-sunnitischen Welt die sie hier eingeblendet sehen beginnend mit dem Tafsir Al-Bahr Al-Muhit, sind sich darin einig, dass diese Verse folgende Bedeutung haben (Tafsir Al Bahr Al Muhit, Tafsir Al Bahr Al Madid, Tafsir Al Baidawi, Tafsir Al Kashaf, Tafsir Al Siraj Al Munir): „Oh Mose, erinnere sie an das, was Allah den Kindern Israels über die Vernichtung der Ägypter und der Erbschaft ihres Landes und ihrer Wohnstätten verheißen ließ.“
Interessant hier ist der unterschiedliche Geist mit dem auf der einen Seite die islamischen Gelehrten das Verhältnis zwischen den Juden und den Ägyptern beschreiben und auf der anderen Seite die jüdisch-biblische Geisteshaltung zu diesem Verhältnis.
Auf islamischer Seite im Sinne des Korans und der Koranauslegung der islamischen Gelehrten ruft Allah zur Rache an den Ägyptern auf und zur Aneignung ihres Landes. Dagegen erinnert die Thora die Juden daran, dass sie Fremde und Gäste im ägyptischen Lande waren (5 Mose 19.10 u. 7.23)
Der Konflikt um Palästina im Nahen Osten ist sicher sehr komplex und es scheint fast aussichtslos aufgrund der unzähligen miteinander verflochtenen Ebenen auf denen der Konflikt ausgetragen und verwurzelt eine Lösung zu finden.
Dieser kleine Beitrag soll jedoch zeigen, dass es selbst auf der verzwickten religiösen Ebene für Muslime möglich sein kann, den Juden ein Existenzrecht in Palästina zuzusprechen. Wir konnten sogar zeigen, dass die Existenz Israels im Nahen Osten tiefe Wurzeln in den religiösen Texten der sogenannten Fundamentalisten hat. Das Zeugnis dieser Quellen gleicht einem Erbschein, nach dem die Juden einen Anspruch auf die Sinai-Halbinsel und sogar ganz Ägypten stellen können.
Ich frage mich, ob es wohl in Ägypten mutige Muslime gibt, die sich mit dieser koranexegetisch Fundierten Forderung für die Juden auf dem Tahrir Platz versammeln und sich mit Protesten für sie einsetzen würden?